Unfallpyramide: Die wichtige Botschaft von Beinaheunfällen
Von gefährlichen Situationen, über Beinaheunfälle bis hin zum schlimmsten Fall – dem Arbeitsunfall: Mit Hilfe der sogenannten Unfallpyramide können alle Vorfälle im Unternehmen analysiert werden. Was sich hierunter genau verbirgt und welche Beispielformen der Unfallpyramide es gibt, erfahren Sie in unserem Beitrag. Lesen Sie außerdem, warum ein Beinaheunfall ein wichtiges Warnzeichen ist und wie Sie mit der richtigen Fehlerkultur Arbeitsunfälle wirkungsvoll vermeiden.
Sie wollen bei der Unfallmeldung auf digitale Lösungen setzen? Dann schauen Sie doch mal in unserem umfangreichen E-Book vorbei. Hier haben wir Ihnen alles Wissenswerte zum digitalen HSQE-Management zusammengefasst.
Was sagt die Unfallpyramide aus?
Bei der Analyse von Arbeitsunfällen kommt das Modell der Unfallpyramide häufig zum Einsatz. Dabei wird die Verteilung unterschiedlicher Unfallschweren ermittelt, die je nach Häufigkeit übereinandergestapelt werden. Das Ergebnis ist eine Pyramidenform. Oftmals sprechen Unfallforscher daher auch von der „Sicherheitspyramide“. Grundlegend kann die Unfallpyramide somit als eine statistische Häufigkeitsverteilung verstanden werden, die die Wahrscheinlichkeit von Unfallgraden abbildet.
Sie können die Unfallpyramide bei allen Unfallarten anwenden, denn grundsätzlich hat das Modell gezeigt: Schwere oder gar tödliche Unfälle sind viel seltener als leichte Unfälle oder unsicheres Verhalten. Während ernsthafte Vorfälle somit die Spitze der Pyramide bilden, sind sogenannte Beinaheunfälle wesentlich wahrscheinlicher. Klar wird dabei: Jedem schweren Arbeitsunfall geht eine Vielzahl kleinerer Zwischenfälle voraus. Sie sollten daher jeden Beinaheunfall im Unternehmen ernst nehmen, um dadurch höhere Gefährdungsstufen zu minimieren. Die nachfolgende Grafik zeigt eine exemplarische Unfallpyramide.
Die Unfallpyramide unterteilt sich in der Regel in vier Ebenen:
- Beinaheunfall: riskantes Verhalten ohne schwerwiegende Konsequenzen
- leichter Unfall: kleinere Verletzungen, Weiterarbeit ohne Arbeitsausfall möglich
- schwerer Unfall: schwere Verletzungen mit medizinischer Versorgung, Ausfallzeiten
- tödlicher Unfall: Verletzungen mit Todesfolge
Sind Beinaheunfälle meldepflichtig?
Stellen Sie sich folgende Situation vor: In Ihrem Unternehmen hat sich auf dem Flur ein Ölfleck gebildet. Ein Mitarbeiter rutscht dadurch aus, kann sich aber im letzten Moment noch abfangen. Glück für Ihren Angestellten und ein Warnzeichen für Sie: Sie sollten so schnell wie möglich geeignete Maßnahmen ergreifen, bevor sich der nächste Beschäftigte bei einem Sturz ernsthaft verletzt. Wie es der Name schon verrät, wäre es beinahe zu einem Unfall gekommen.
Ein Beinaheunfall ist somit das Resultat aus unsicheren Begebenheiten am Arbeitsplatz, die jedoch keine schwerwiegenden Folgen haben. Es treten dabei weder Personen- noch Sachschäden ein. Sie können Beinaheunfälle daher als Vorboten von Unfällen verstehen, die Ihnen gleichzeitig das aktuelle Sicherheitsniveau in Ihrem Betrieb anzeigen. Übrigens: Sollten Sie über den Begriff „Near Misses“ stolpern – auch hiermit sind Beinaheunfälle gemeint.
Beinaheunfälle müssen Sie nicht beim Unfallversicherer melden. Wir empfehlen Ihnen dennoch, jeden Beinaheunfall betriebsintern zu melden – schließlich hätte es genauso gut zu einem Unfall kommen können. Als Faustregel gilt daher: Wenn der Vorfall als meldepflichtiger Unfall hätte enden können, sollte er erfasst werden. In unserem Artikel zum digitalen Verbandbuch lesen Sie mehr zur Meldung von Arbeitsunfällen.
Beinaheunfall: Unfallanalyse ist wichtig!
Bereits bei einem Beinaheunfall sollten Sie in jedem Fall eine Unfallanalyse durchführen. Der Grund hierfür: Einen Arbeitsunfall und einen Beinaheunfall unterscheidet lediglich der Zufall. Der Beinaheunfall hätte also genauso gut zu einem Schaden führen können. Er ist in jedem Fall ein Indiz für eine Fehlerquelle im Arbeitsalltag, der Sie unbedingt auf die Spur gehen sollten. Die Unfallanalyse bei einem Arbeitsunfall verfolgt somit mehrere Ziele (Auszug):
Verschiedene Unfallpyramiden im Überblick
Nachfolgend stellen wir Ihnen drei gängige Unfallpyramiden vor und zeigen Ihnen die wesentlichen Unterschiede auf.
Unfallpyramide nach Heinrich
Vorreiter der klassischen Unfallpyramide war Herbert William Heinrich. 1931 untersuchte er, welchen Einfluss die Sicherheitskultur eines Betriebs auf die Unfallzahlen hat. Anhand der Ergebnisse mehrerer tausend Arbeitsunfälle ermittelte er eine Pyramide, die sich aus der Unfallverteilung zusammensetzte. Die als „Heinrichs Dreieck“ bekannte Sicherheitspyramide ergab eine Verteilung von 300 Vorkommnissen – also Unfällen ohne Verletzungsfolgen – sowie 29 leichten Unfällen bei nur einem tödlichen oder schweren Arbeitsunfall. Daher ist sie heute oftmals als „Heinrich’s Triangle 300-29-1“ geläufig.
Heinrich erkannte schließlich, dass jede Verringerung am Pyramidenboden automatisch positive Folgen für das Aufkommen von schwerwiegenden Unfällen hat. Eine Verhinderung von leichten Verletzungen sollte demnach ernste Vorfälle ausschließen. Was in Heinrichs Unfallmodell allerdings unberücksichtigt blieb, waren organisatorische sowie psychologische Aspekte der Arbeitsprozesse. Diese sind jedoch entscheidend für die Aufklärung von Arbeitsunfällen.
Unfallpyramide nach Bird
Auch der Arbeitssicherheitsexperte Frank E. Bird analysierte 1996 mehr als 1,7 Millionen Unfälle. Ähnlich wie Heinrich erkannte er, dass schwere Unfälle relativ selten auftreten. Die Einteilung seiner Unfallpyramide war dabei präziser: So unterteilte er in tödliche Unfälle und schwere Unfälle mit Arbeitszeitausfall, leichtere Unfälle sowie Beinaheunfälle. Birds Untersuchung ergab eine 1-10-30-600-Ratio. Das bedeutet: Auf einen tödlichen Unfall kommen zehn schwere Unfälle, 30 Unfälle, die einen medizinischen Einsatz erfordern sowie 600 Beinaheunfälle.
Unfallpyramide nach DuPont
Etwas weniger bekannt ist die Unfallpyramide nach DuPont. Als Modell mit den meisten Ebenen sind hier zudem Erste-Hilfe-Fälle ein Bestandteil. Weiterhin zählen Beinaheunfälle in die erweiterte Kategorie der sicherheitswidrigen Verhaltensweisen. Wenig überraschend ist dagegen, dass sich auch bei DuPont ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Anzahl der unsicheren Handlungen und der Anzahl leichter, schwerer sowie tödlicher Unfälle zeigt.
Egal welche Verteilung der Unfallpyramide betrachtet wird – die Grundaussage ist bei allen Formen gleich: Es ist für den Arbeitsschutz in Ihrem Unternehmen wichtig, bereits Konsequenzen aus einem Beinaheunfall zu ziehen, um schwerere Ausgänge zu verhindern. Einen großen Einfluss darauf hat die betriebliche Fehlerkultur.
Mit der richtigen Melde- und Fehlerkultur aus Beinaheunfällen lernen
Abschließend wollen wir Ihnen einige Kriterien vorstellen, die eine gute Fehler- und Meldekultur im Unternehmen ausmachen. Denn nur durch die Einbindung aller Mitarbeiter in effektive Meldesysteme können Sie aus Unfallquellen lernen.
Was eine gute Fehlerkultur umfasst (Auszug):
- Mitarbeiter können Fehler oder Mängel bei betrieblichen Schutzmaßnahmen jederzeit äußern, ohne Sanktionen oder Bloßstellungen befürchten zu müssen.
- Mit Hilfe einfacher und zeitsparender Meldemöglichkeiten können Beinaheunfälle systematisch von jedem erfasst werden.
- Mit Unfallquellen und Fehlern wird transparent umgegangen. Beschäftigte, die Beinaheunfälle melden, erfahren Vertraulichkeit und Anonymität.
- Ziel sind fortwährende Verbesserungsprozesse. Um aus der Unfallpyramide zu lernen, werden gemeldete Sicherheitsrisiken bewertet und notwendige Maßnahmen abgeleitet. Beschäftigte erhalten zudem Feedback zu gemeldeten Vorfällen.
- Die Fehlerkultur ist in den Unternehmensleitlinien verankert und wird Mitarbeitern bspw. in regelmäßigen Unterweisungen mitgeteilt.
Die richtige Meldekultur von Beinaheunfällen ist also ausschlaggebend. Viele große Unternehmen greifen daher inzwischen auf digitale Meldesysteme zurück. Der Einsatz kann aber auch für kleine und mittlere Firmen lohnenswert sein.
Mit unserer Software-Lösung iManSys können alle Mitarbeiter nicht nur Unfälle, sondern auch Beinaheunfälle zeit- und ortsungebunden melden. Geben Sie dazu in der digitalen Unfallmeldung einfach alle Hergangsdetails an. Abschließend können Sie zudem notwendige Maßnahmen ableiten. Weiterhin ist auch die Erfassung gefährlicher Situationen möglich.
Besonders sinnvoll ist es, Ihre Angestellten nach Auftreten eines Beinaheunfalls oder einer gefährlichen Situation zu bestehenden Risiken zu unterweisen. In iManSys sind elektronische Sicherheitsunterweisungen ebenfalls integriert und als Maßnahme zuweisbar. Erstellen Sie abschließend eine übersichtliche Statistik zur Verteilung aller Unfälle, Beinaheunfälle sowie gefährlicher Vorkommnisse und ziehen Sie daraus Konsequenzen für die Arbeitssicherheit in Ihrem Unternehmen.
Wie die digitale Unfallmeldung mit iManSys im Detail funktioniert, erfahren Sie in unserem kostenfreien E-Book. Hier informieren wir Sie auch über weitere Vorteile einer HSQE-Software, wie bspw. die digitale Gefährdungsbeurteilung, um Vorfälle von Grund auf zu vermeiden. Wir wünschen viel Spaß bei der Lektüre!
Der Einfachheit und besseren Lesbarkeit halber wird im Text das generische Maskulinum verwendet – gemeint sind damit immer alle Geschlechter.
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